Das JOURNAL – Zur Erklärung | Verlag: J.G. Seume
Peter Winterhoff-Spurk

Titelblatt der ersten Ausgabe, „Die Gartenlaube“, Verleger und Herausgeber Ernst Keil, 1853 (© Foto: gemeinfrei, wikipedia.org)
„Wenn ihr im Kreise Eurer Lieben die langen Winterabende am traulichen Ofen sitzt oder im Frühlinge, wenn vom Apfelbaume die weiß und rothen Blüthen fallen, mit einigen Freunden in der schattigen Laube – dann leset unser Blatt! Ein Blatt soll’s werden für’s Haus und für die Familie, … für Groß und Klein, für Jeden, dem ein warmes Herz an den Rippen pocht, der noch Lust hat am Guten und Edlen! … Dann wollen wir hinaus wandern an der Hand eines kundigen Führers in die Werkstätten des menschlichen Wissens, in die freie Natur, zu den Sternen des Himmels, zu den Blumen des Gartens, in die Wälder und in die Eingeweide der Erde, und dann sollt Ihr hören von den schönen Geheimnissen der Natur, von dem künstlichen Bau des Menschen und seiner Organe, von Allem, was da lebt und schwebt und kreucht und schleicht, was Ihr täglich seht und doch nicht kennt. Und was außerdem noch von Interesse ist im Thun und Treiben der Menschen – Ihr sollt’s finden in unserm Blatt, das zu alle den Dingen, die wir Euch bieten, auch noch verzierende und erklärende Abbildungen bringt von anerkannten Künstlern.“
So kündigte im Jahr 1853 der Journalist Ferdinand Stolle aus Grimma die erste Ausgabe von DIE GARTENLAUBE an, das erste Massenblatt der Mediengeschichte. Seine Laube ist unten abgebildet, sie steht auf der Stadtmauer in Grimma, meinem Geburtsort. Tatsächlich aber war der Leipziger Verleger Ernst Keil der Herausgeber und seine Leipziger Gartenlaube hatte der Zeitschrift den Namen gegeben. Er hatte die bürgerlichen Ehrenrechte wegen eines Vergehens gegen das Pressegesetz verloren. Stolle war sein Strohmann. So biedermeierlich der Text klingt: Die Zeitschrift war dennoch der Versuch, in den Jahrzehnten nach der 1848er Revolution radikal-liberale Vorstellungen in die Öffentlichkeit zu tragen. Der Titel? Camouflage für die Zensur. Sie wurde mit fast 400.000 gedruckten Exemplaren zu Zeiten von Keils Herausgeberschaft ein sensationeller Erfolg.
Seume hätte sich darüber gefreut, das hatte er ja selbst auch gewollt:
„Mit Büchern Einsichten vermitteln in unsere Natur, unsere Fähigkeiten und die sozialen Verhältnisse, in denen wir leben.“
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