Das ist die deutsch-französische Grenze auf den Spicherer Höhen bei Saarbrücken, von Deutschland aus gesehen, an einem Sommertag im Juli 2018. Wanderer passieren sie, Jogger laufen an ihr vorbei, Mountainbiker radeln über sie hin. Deutsche, Franzosen und Menschen von woanders. Manche grüßen kurz, die Franzosen eher als die Deutschen: ‚Bonjour‘, ‚Guten Morgen‘. Ein friedlicher Ort.
Man sieht ihm nicht an, dass hier am 06. August 1870 eine der drei großen Schlachten (Wissembourg, Wörth und Spicheren) zu Beginn des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 stattgefunden hat. 843 deutsche und 820 französische Soldaten waren am Abend dieses Tages tot. 3.656 deutsche und 1.662 französische Soldaten lagen verwundet in Lazaretten und Krankenhäusern.
Einer der Toten: Hauptmann Franz Mudrack, auf dem breiten Wanderweg von zwei Kugeln tödlich in die Brust getroffen. Hinterließ er eine verzweifelte Kriegerwitwe, die um ihn trauerte? Weinende Kinder, die fortan am Sedantag an ihn denken mußten?
Unter den Opfern auf französischer Seite: Capitaine Charles Auguste de Beurmann, 1829 im elsässischen Wissembourg geboren, wenige Kilometer von der deutsch-französischen Grenze:
Was hat seine Mutter gefühlt, als sie der Brief mit der Todesnachricht erreichte, was seine Freunde?
Besonders absurd: Der Sterbeort des preußischen Generalmajors Bruno Hugo Karl Friedrich von François. Der Name sagt es: Er stammte aus einer normannischen Hugenottenfamilie, die nach der Widerrufung des Edikts von Nantes 1685 nach Deutschland gekommen war. Fast schon am Ende der Schlacht, um 16.00 Uhr, wurde er von französischen Scharfschützen getroffen. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: „Es ist doch ein schöner Tod auf dem Schlachtfelde; ich sterbe gern, da ich sehe, dass das Gefecht vorwärts geht.“
„Es ist doch ein schöner Tod auf dem Schlachtfelde; ich sterbe gern, da ich sehe, dass das Gefecht vorwärts geht.“
Der Anderen wird gedacht, mit pompösen Denkmälern, wie diesem für das Niederrheinische Füsilier-Regiment Nr. 39, gestiftet von ihren Regimentern, bis 1918 jedes Jahr geschmückt, gepflegt und befeiert:
Insgesamt 7.000 Menschen und ihren Familien hat der 06. August 1870 Leiden und Tod gebracht.
Und heute? Deutsche und Franzosen treffen sich beim „Woll“, einem Restaurant direkt hinter der Grenze, auf der französischen Seite. Man spricht Deutsch (auch die Eigentümer sind Deutsche) und Französisch, Saarländisch und Platt, man isst „Flamm“ (-kuchen), trinkt einen Riesling, wer mag, bekommt auch Froschschenkel, und man schaut in die friedliche lothringisch-saarländische Landschaft.
‚Jeder Schuß‘ ein Russ, jeder Stoß ein Franzos‘ – längst vorbei, längst vergessen. Auch die beiden Weltkriege sind Geschichte, noch im Bewusstsein der Menschen und auf den Spicherer Höhen präsent, aber im Alltag kaum noch zu spüren. Das zeigt ein erst im Mai 1997 aufgestellter, von amerikanischen Veteranen gestifteter M 24 Chaffee Panzer: Dass er nicht mehr dem Zeitgeist entspricht, wurde deutlich, als Unbekannte die Kanone mehrfach rosa anmalten. Wem das Denkmal zu martialisch ist, der möge aber daran denken, dass die Amerikaner am 21. Februar 1945 als Befreier nach Spicheren kamen. Sicherlich ist es auch eine versöhnliche Geste der Gemeindeverwaltung gegenüber den deutschen Nachbarn, den Panzer mit einer nach Frankreich gerichteten Kanone aufgestellt zu haben.
Die Menschen hier sind inzwischen gute europäische Nachbarn geworden, man respektiert sich, mag sich und geht sich gelegentlich auf die Nerven. Saarländisch-lothringische Normalität, so wohl nirgendwo in Deutschland zu erleben. Vergessen wir aber nie, wenn wir – nun von der französischen Seite aus gesehen – über diese Grenze wandern, joggen oder radeln: Wo am 06. August 1870 Deutsche und Franzosen einander umbrachten, ist nunmehr seit über 70 Jahre Frieden!
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